Diese 3 aktuellen Sachbücher solltest du 2018 gelesen haben
Ich werde oft gefragt, wie man sich nur so viel Wissen auf die geistige Festplatte packen könne. Was muss man tun, was muss man lesen? Trotz den endlosen Weiten von Wikipedia bleibt eine meiner Lieblingsquellen das gute, alte (Sach-)Buch. An dieser Stelle möchte ich euch daher drei meiner aktuellen Favoriten vorstellen, die nicht nur mein Wissen, sondern vor allem auch meinen Horizont erweitert haben.
Hans Rosling – Factfullness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist
Am Anfang des Buches gibt es ein kleines Quiz bestehend aus 13 Quizfragen mit jeweils drei Antwortmöglichkeiten, so wie ich es aus der ARD-Quizshow “Gefragt-Gejagt” kenne, in der ich seit 2013 als Wissenschampion auf Kandidatenjagd gehe. Es sind kurze, knackige Fragen aus entwicklungspolitischen und -ökonomischen Themen, wie zum Beispiel: “Wie viele der einjährigen Kinder auf der Welt sind geimpft? 20, 50 oder 80 Prozent?” Heraus kam wohl eine der schlechtesten Ergebnisse meiner Karriere: gerade einmal vier von 13 Fragen richtig. Wie konnte das passieren? Trotz meinem großem Interesse an den Themen, eines politikwissenschaftlichen Studiums und vielen Jahren Quizerfahrung auf höchstem Niveau?
Zunächst einmal eine kleine Entwarnung: sollte es dir genauso gehen, wir sind nicht allein! Das ist vielmehr ein recht typisches Ergebnis. Nach der Lektüre ist man jedoch um ein Vielfaches “schlauer”.
Dieses Buch macht schlauer
Denn dem schwedischen Arzt Hans Rosling gelingt es in den folgenden elf Kapiteln nicht nur, anhand faszinierender Fakten, einen Zustand der Welt zu zeichnen, der weit positiver ist, als man gemeinhin vermutet, sondern er weist auch nach, warum wir so ein negatives und verzerrtes Bild haben. Als Krönung liefert er dann noch wertvolle Hilfestellungen und Handlungsvorschläge wie man in Zukunft solche Trugschlüsse vermeiden kann.
Hans Rosling ist jedoch kein reiner Faktennerd, der sich sein Leben lang hinter dem Schreibtisch versteckt hat. Im Gegenteil, der schwedische Arzt kann durch seine eigenen Erfahrungen und vor allem der Begegnung mit eigenen Vorurteilen seine Ausführungen stets mit illustrativen Beispielen unterfüttern. Das Buch macht Mut, ohne die Welt in einem rosaroten Licht zu malen, Probleme verschweigt er nicht. Vor allem aber hat es das Potential, festgefahrene Denkmuster aufzubrechen, allen voran “wir” und “die anderen”-Kategorien. Es wurde selten so klar, in welchen alten Schubladen wir oft denken. Auch ich musste das feststellen.
In einem Zeitalter von “Fake-News” and “Alternativen Fakten” liefert Rosling ein bemerkenswertes Buch. Es ist die Essenz seines Schaffens als Dozent, Wissenschaftler und Redners. Leider verstarb dieser moderne Aufklärer im vergangenen Jahr, das Buch ist als großes Vermächtnis zu verstehen.
Yuval Noah Harari – Homo Deus: Eine kurze Geschichte von morgen
Der israelische Historiker Yuval Noah Harari würde Hans Rosling in vielen Punkten sicher beipflichten. Wir haben es geschafft, die globale Bedeutung von Hunger, Krankheiten und Krieg als existenzbedrohende Gefahren zu minimieren. Trotz Ebola, Syrien-Krieg und Flüchtlingskrise ging es der Menschheit global und über längere Zeiträume betrachtet nie besser als heute. Wie geht es nach dieser Erfolgsgeschichte nun weiter? Mit “Homo Deus” schließt Harari hier an seinen ersten weltweiten Sachbuchbestseller “Eine kurze Geschichte der Menschheit” an und entwirft auf genauso fundierte wie nüchterne Weise ein dennoch bisweilen erschreckendes Zukunftsszenario.
Denn womöglich mündet unser Streben nach Optimierung in eine Überflüssigmachung dessen was wir jetzt sind. Wer braucht schon in einer immer effizienteren von Algorithmen dominierten Welt einen fehleranfälligen Homo Sapiens? Und sind unser Denken und unsere Emotionen nicht auch nichts weiteres als eine Art Algorithmus? Warum nicht diesen dann auch optimieren?
Mensch vs. Maschine
Wenn sich also im Denken Maschinen Disziplin für Disziplin (zuletzt im hochkomplexen Spiel Go) als überlegen erweisen und unser Bewusstsein auch nichts anderes ist als eine Form komplexer, aber entschlüsselbarer Algorithmen, welchen Platz haben wir dann noch in der Welt von morgen? Ist eine cyborghafte Verschmelzung dann nicht nur sinnvoll, sondern notwendig und unaufhaltsam?
Harari zeichnet diese Gedankengänge nicht in einer aufgeregten Science-Fiction-Dystopie dominiert von Maschinen, die die Menschheit zerstören, sondern in einer nüchternen historischen und gegenwartsbezogenen Analyse.
Harari vereinfacht komplexe Sachverhalte ohne sie jedoch fehlerhaft und irreführend darzustellen, er malt große Bogen, ohne sie zu überspannen. Wie Rosling bricht er alte Denkmuster auf. Dabei gelingt ihm ein mutiges Buch, das auch bei mehrmaligem Lesen in seiner kühlen Art Stoff für viele hitzige Diskussionen und Denkanstöße gibt.
Siddhartha Mukherjee – Das Gen: Eine sehr persönliche Geschichte
Ich sehe aus wie mein Vater. Natürlich wie eine etwa 35 Jahre jüngere Version. Aber nicht nur das: ich spreche wie er, laufe wie er, lache wie er. Und ich tanze wohl leider auch wie er. Es ist erstaunlich, denn bei meiner Erziehung hat er im Vergleich zu meiner Mutter eine bei weitem wesentlich geringere Rolle gespielt. Das müssen wohl die Gene sein! Aber warum sind wir uns in anderen Dingen dann so fremd?
Was es mit unseren Genen auf sich hat und wie wir zu diesen Erkenntnissen überhaupt gelangt sind, angefangen von Mendels Erbsenexperimenten über Fruchtfliegen bis zur Entschlüsselung und Modifikation unseren Genoms, erzählt der amerikanisch-indische Arzt Siddhartha Mukherjee in seinem fabelhaft geschriebenen und großartig recherchierten Buch “Das Gen: Eine sehr persönliche Geschichte”. Dabei verknüpft er diesen medizinhistorische Parforceritt mit der tief von Geisteskrankheiten gezeichneten Lebensgeschichte seiner eigenen Familie. Eine wirklich intime Darstellung wie der Untertitel des Werkes treffend beschreibt.
Genetik vs. Umwelteinflüsse
Die klassische Debatte um “nature vs. nurture”, also die Frage was nun einflussreicher sei, unser Erbgut oder Umwelteinflüsse, wird mit diesem Werk nicht geschlossen. Dies ist jedoch auch nicht Mukherjees Ziel. Deutlich wird nach der faktendichten Lektüre aber die Bedeutung von beidem sowie insbesondere ihrem Zusammenspiel. Wie auch in seinem ersten Werk “Der König aller Krankheiten: Krebs – eine Biografie” schöpft der Autor auch aus seinen wertvollen Erfahrungen als praktizierender und forschender Arzt.
Es ist vielleicht beste Buch zur Geschichte der Genetik, das du in die Hände bekommen kannst, ich wünsche ihm mindestens genauso viele Leser wie bei seinem ersten Werk.
Fotos: Sebastian Klussmann