Craft Beer zu Hause brauen: Ein Besuch bei Bierlieb in Berlin
Zum klassischen Bier aus dem Supermarktregal müssen wir nichts mehr erzählen – wohl aber zu Craft Beer! In den letzten Jahren hat sich die handgebraute, rustikale Schwester des Kultgetränks immer mehr etabliert und ist längst nicht mehr nur etwas für Bierkenner mit jahrelanger Expertise. Und obwohl Cristal und Holger von der Craft-Beer-Brauerei „Bierlieb“ in Berlin-Friedrichshain genau das sind, haben sie uns bei unserem Besuch überzeugt: Wer gerne gutes Bier trinkt, sollte sich unbedingt mal an Craft Beer in der eigenen Küche versuchen!
In ihrem Laden mit angeschlossener Brauerei, Schankstube und Seminarraum erklären uns die beiden, wie das Hopfengold in Eigenregie gelingt und was man dafür braucht. Die gute Nachricht: Vieles davon hat man schon im Haushalt oder es lässt sich bei eBay Kleinanzeigen günstig gebraucht kaufen. Im Interview erfahren wir außerdem, welche abgefahrenen Sorten in der Bierlieb-Brauerei schon entstanden sind, was der ultimative Tipp für Brau-Anfänger ist und was am besten schmeckt zum Bier Marke Eigenbräu. Los geht’s!



Hallo Cristal, hallo Holger! Was macht Craft Beer so besonders und warum lohnt sich das Brauen zu Hause?
Holger: Mittlerweile werden die meisten Biere von großen Konzernen hergestellt, die man dann überall im Supermarkt wiederfindet. Das hat zur Folge, dass sich die Sorten auch geschmacklich sehr ähneln. Bier ist eigentlich ein sehr weites Feld und hat eine große Geschmacksvielfalt. Wer selber braut, kann die ganze Bandbreite des Aromas erkunden und der eigenen Kreativität freien Lauf lassen. Es geht bei Craft Beer um die Wiederentdeckung des ursprünglichen Geschmacks, um Regionalität und um Freude an der Vielfalt.
Klingt gut! Um direkt in der eigenen Küche loszulegen braucht ihr folgende Ausrüstung:
✓ großer Kochtopf mit Ausguß, z.B. Glühweintopf
✓ Eieruhr
✓ Bottich mit Ausguß, am besten aus lebensmittelechtem Kunststoff
✓ Küchenwaage
✓ Thermometer
✓ Läutersieb
✓ Malzmühle
✓ großer Löffel
✓ Plastikschlauch
Und diese vier Zutaten:
✓ Malz (je nach Rezept gemälzt, geräuchert oder naturbelassen)
✓ Wasser (Leitungswasser oder Quellwasser)
✓ Hefe
✓ Hopfen (frisch, getrocknet, als Pellets oder Essenz)


Und so geht’s:
Sucht euch als erstes ein passendes Rezept. Die gibt es in Hülle und Fülle im Netz, zum Beispiel bei Craftbeer Revolution oder Brew Dog aus England. Die einzelnen Zutaten bekommt ihr entweder online oder ihr bezieht sie über kleine Brauerein mit angeschlossenen Shops, wie zum Beispiel Bierlieb. Wir beschreiben hier den exemplarischen Prozess des Bierbrauens, der je nach Rezeptur variieren kann.
Als erstes wird werden die Malzkörner mit einer Schrotmühle geschrotet, um die Hülsen aufzubrechen. Der Schrot wird in Wasser (für’s Berliner Original ganz einfaches Leitungswasser) gerührt und über verschiedene Temperaturstufen erhitzt. Wie lange welche Temperatur gehalten wird, verrät euch das Rezept und prüfen könnt ihr es mit einem einfachen Küchenthermometer. Die entstandene so genannte Würze wird nun gefiltert und die festen Bestandteile des Malzschrotes mit einem Läutersieb herausgesiebt. Dazu gebt ihr alles in einen Läuter- oder Gärbottich aus lebensmittelechtem Kunststoff, das Läutersieb kommt auf den Boden des Gefäßes.


Die Flüssigkeit könnt ihr über den Ausguss abgießen und zurück in den Kochkessel füllen. Den im Sieb zurückbleibenden Treber könnt ihr zum Beispiel zum Backen weiterverwenden. Von der Würze schöpft ihr nun einen kleinen Teil ab und friert ihn ein – wozu genau, erfahrt ihr gleich.
Gebt den Hopfen in die Würze und kocht ihn etwa eine Stunde lang. Währenddessen gut umrühren, damit nichts am Topfboden anhängt. Außerdem muss der Gärbottich inzwischen gut gereinigt werden. Um nach der Hopfenkochung Schwebstoffe zu entfernen, wird die Flüssigkeit nun mit dem Löffel in Rotation versetzt, sodass ein Sogwirbel entsteht und sich die Festbestandteile kegelförmig am Topfboden sammeln. Nun vorsichtig die Flüssigkeit abgießen und am besten mit einem Schlauch, um Luftkontakt zu vermeiden, in den Gärbottich leiten.

Bevor die Hefe dazukommt, muss die Flüssigkeit gekühlt werden, das geht am Besten mit einem Tauchkühler. Passt die Temperatur, kommt die Hefe dazu und der Deckel drauf. Diese Mischung lasst ihr nun je nach Rezept 3-7 Tage stehen.

Ist der Gärprozess abgeschlossen, kommt nun die sogenannte Speise ins Spiel, das ist der kleine Teil Würze, den ihr vorher eingefroren habt: Durch ihre Zugabe entwickelt das Bier später in der Flasche Kohlensäure. Das Jungbier könnt ihr nun in saubere Flaschen füllen und noch einmal 3-7 Tage stehen lassen. Danach wird das Bier noch 2-4 Wochen im Kühlschrank gelagert und dann ist es endlich bereit für den ersten Schluck. Prost!
Und unsere Profis von Bierlieb haben auch noch ein paar Tipps auf Lager:
Wie hoch sind meine Erfolgschancen, dass gleich beim ersten Mal mein selbstgebrautes Bier gut schmeckt?
Holger: Meistens braucht man ein paar Durchgänge, ich würde sagen die Quote beim ersten Mal liegt bei 50:50. Aber die Lernkurve ist erfahrungsgemäß relativ steil.
Cristal: Wenn man es schafft, sauber, zügig und ohne Verunreinigung durch Bakterien oder Sauerstoff zu arbeiten, kann eigentlich wenig schiefgehen. Sauberkeit ist wirklich der Schlüssel zum Erfolg.

Was war bisher das verrückteste Bier, das ihr gebraut habt?
Cristal: Die letzte verrückte Sorte war mit Rhabarber, Himalaya-Salz und Beeren. Davor habe ich auch schon Himbeeren und Limettenblättern probiert.
Holger: Und die schmecken verdammt gut! Auch wenn diese Kombinationen natürlich schon sehr weit über das hinausgehen, was man in Deutschland unter klassischem Bier versteht.
Und was esst ihr dann am liebsten zu eurem selbstgebrauten Craft Beer?
Cristal: Das kommt ganz auf die Sorte an. Zu einem hellen Pilsner oder Lager mag ich am liebsten gegrilltes Fleisch oder auch asiatische Gerichte. Intuitiv trinkt man zu kräftigen Aromen im Essen auch ein kräftiges Bier, aber es kann auch toll schmecken, es einmal umgekehrt zu machen und einfach zu experimentieren. Bei der Vielfalt an Sorten macht das auf jeden Fall großen Spaß!

Vielen Dank, Cristal und Holger und euch happy brewing!
Alle Fotos: Milena Zwerenz