Oktoberfest-Checkliste: Wie man als Münchner auf die Wiesn geht, Teil 1
Inhaltsverzeichnis
Jeden Tag schaue ich von meinem Balkon auf die 200 Meter entfernte Sankt Pauls Kirche in München. 349 Tage im Jahr ist sie genau das. Eine Kirche an der Theresienwiese. Jedoch 16 Tage lang ist sie der Leuchtturm für die größte, krasseste und verrückteste Party der Stadt. Die Wiesn steht, im wahrsten Sinne des Wortes, vor der Tür. Und von der kann ich ein Lied singen. In Dur und in Moll. Deshalb gebe ich dir jetzt ein paar Tipps, wie man als Münchner auf die Wiesn geht und wie man als Tourist nicht an jeder Ecke wie ein ebensolcher erkannt wird.
1. Die Anreise
Für mich als „Nachbar“ stellt sich die Frage nicht. Ich gehe zu Fuß zur Wiesn und folge den Menschenmassen vom Hauptbahnhof zur Theresienwiese. Allen anderen seien die öffentlichen Verkehrsmittel ans Herz gelegt, da Fahrrad keine und Auto überhaupt keine Option darstellt. Wenn man schon im Vorfeld weiß, in welches Zelt oder in welchen Biergarten man gehen wird, bieten sich die U-Bahn-Stationen Theresienwiese, Goetheplatz oder Schwanthalerhöhe an. Solltest du an der Wiesn direkt rauskommen wollen, dann steigst du in das vordere Drittel des Zuges. Ab der Mitte des Zuges werden nämlich die Menschenmassen an der Theresienwiese nach hinten umgeleitet.
2. Die männliche Tracht
Die Tracht ist Pflicht. Punkt. Für den Münchner spielen dabei vor allem die Aspekte Individualität (persönlicher Stick am Hemd), Tradition (Erbstück vom Opa) und Details (Charivari, Anstecker) eine große Rolle. Westen und Janker gehören genauso zum Outfit wie ordentliche Haferl-Schuhe. Regen- und Outdoor-Funktions-Jacken sind verpönt. Rehbraune Kniebund-Hosen, Landhaus-Tracht und karierte Hemden trägt man in München nur einmal im Jahr: zum Fasching. Um nicht sofort und komplett als Wiesn-Neuling oder Tourist deklariert zu werden, sollte man sich schon vor dem Besuch um ein ordentliches Auftreten kümmern. Bei eBay Kleinanzeigen findet man auch noch kurz vor der Wiesn gute Angebote, da auch viele Münchner ihre Schränke plündern. Hat man keine richtige Tracht, sollte man frei nach Christian Lindner handeln: Lieber keine Tracht als eine schlechte Tracht.
3. Die weibliche Tracht
Ähnlich wie bei den Männern legen die Münchner Frauen größten Wert darauf, dass ihr Dirndl entweder selbst genäht oder von der Mama getragen wurde. Maximale Individualität ist oberste Prämisse und eine Frau im identischen Dirndl wäre der Super-GAU. Mit Bluse, besonderer Schürze, Kette und einen speziellen Dirndl-BH gibt es aber auch millionenfache Variationsmöglichkeiten.
Ein Dirndl ist sexy. So viel steht fest. Was aber nicht bedeutet, dass es viel zu kurz, viel zu bunt und viel zu sehr ausgeschnitten sein soll. Denn das würde dich nur wieder als Tourist auszeichnen. Für Nicht-Münchner ist es schwer vorstellbar, aber ein bis zum Hals hochgeschnittenes und knöchellanges Dirndl ist für Münchner Männer der Himmel auf Erden. Alles kürzer als das Knie sowie Sneaker sind ein absolutes No-Go. Auf einen Hut mit Feder sollte man verzichten, es sei denn man kommt aus Bonn.
Wo die Schleife gebunden ist, zeigt dem Mann prinzipiell wie hoch die Flirt-Chancen auf der Bierbank sind. Links bedeutet ledig (genau genommen „nicht verheiratet“), rechts vergeben (genaugenommen „verheiratet“), vorne mittig Jungfrau, hinten mittig Witwe oder Bedienung.
4. Das Essen
Dass man auch auf der Wiesn nicht nur großes Bier trinken, sondern auch richtig gut essen kann, wissen wohl die wenigsten Touristen. Eine Ochsenfetzen-Semmel, eine Spanferkel-Semmel oder Kasspatzen sind meine persönlichen Favoriten und auch immer noch preislich in einem fairen Rahmen. Vor allem die Mittagsangebote unter der Woche sind in einem Preis-Leistungs-Verhältnis, welches zur übrigen Wiesn tatsächlich überrascht. Je später der Abend, desto mehr wird aber auch der Münchner zum Touri und kauft sich Schoko-Äpfel oder eine Halbe-Meter-Wurst. Interessant: Auf der Wiesn gibt es keine Abfalleimer, doch auch wenn die Besucher noch so betrunken sind, stapeln sie Servietten etc. wie Kunstwerke rund um die Wasserhydranten. Ein wenig Anstand bleibt dann doch noch.
5. Das Trinken
Es ist ratsam, seinen Flüssigkeitshaushalt vor der Wiesn richtig aufzufüllen. Denn aus Ehre, Trinklaune und Vergesslichkeit trinkt man ab Betreten der Wiesn nur noch Bier. So will es das Gesetz. Wer mit einer Maß Wasser am Biertisch sitzt, outet sich entweder als clever (selten) oder kurz vor dem Umkippen (oft). Da das Wiesnbier a) stärker als übliches Bier ist und man es b) in der Regel deutlich schneller in sich hineinkippt, halte ich mich persönlich an die Zweier-Rechnung. Eine Maß Bier sind demnach nämlich nicht 2 Halbe, sondern grob 4. Wie die erste Maß nach einem Jahr Warten, einem langen Arbeitstag oder einem noch längeren Kater vom Vortag in den Schädel knallt ist ein unbeschreibliches Gefühl. Das Glück des Lebens komprimiert in einem schlecht eingeschenkten Glaskrug für 12 Euro!
Du willst mehr erfahren? Lese hier Teil 2 und Teil 3.
Fotos: Getty Images